11. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Markus (4,26-34)

 

Wo ist er? Wo ist dieser Gott... an den Menschen glauben - den sie nennen „Herr der Welt“ - Ich suche ihn - Wie soll ich zu ihm finden? - Wer zeigt mir den Weg zu ihm? - Wo wirkt er? Ist er in dieser Welt tätig? Wo kann ich ihn erfahren? Wer sich immer wieder diese Fragen stellt, ist ein Gott-Sucher. Sind wir Gott-Sucher? Haben wir ihn schon gefunden? Oder entfernt er sich immer wieder?

Jesus sagt: Gott ist in unserer Welt wirksam, er kommt auf uns zu. Er ist überall dort, wo Menschen auf ihn hören, nach seinen Maßstäben handeln. Wo Liebe und Mitmenschlichkeit herrschen, dort wirkt Gott, dort spürt man seinen Einfluss. Denn Gott ist Liebe. Gott wirkt und handelt in und durch Menschen, die in seinem Sinne leben. Dort ist Gottes Reich, dort „herrscht“ Gott. Im Neuen Testament gibt es 122 Stellen, in denen es um dieses „Reich Gottes“ geht. Für Jesus ist es ein zentrales Anliegen, dieses Reich Gottes, dieser Lebensbereich in dem Gott wirksam ist.

Aber Gott ist nicht einer, der überall eingreift, der Wunder wirkt, indem er die Naturgesetze außer Kraft stellt, Naturkatastrophen verhindert, indem er verhindert, dass Menschen unheimlich viel Leid verursachen und sie dafür mit Epidemien oder sogar Pandemien bestraft. Gott wirkt anders. Das illustriert Jesus mit zwei Beispielen:

Gott wirkt in diesem Bauern, der das Feld bearbeitet, den Samen aussät und alle notwendigen Arbeiten macht. Aber ob diese Saat wirklich keimt und Frucht bringt, hat der Bauer nicht in der Hand. Ob unsere Bemühungen Frucht bringen, hängt schlussendlich von Gottes Wirksamkeit ab. Gott wirkt im Kleinen, im scheinbar Ohnmächtigen. So wie beim Senfkorn. Dieses hat einen Durchmesser von nur etwa einem Millimeter. Ein Korn wiegt nur ca. ein Milligramm, d.h. man muss also 1000 Körner nehmen, damit man ein Gramm bekommt. Und trotzdem geschieht das unglaubliche Wunder: Aus dem scheinbaren Nichts wächst eine Staude, eineinhalb bis zwei Meter hoch. Das Leben ist eine Kraft Gottes, die sich durchsetzt, trotz allem.

Da fällt mir noch ein anderes Beispiel ein, wie z.B. Gott schon Jahrhunderte lang in unserer westlichen, europäischen Geschichte gewirkt hat durch Menschen, durch Christen. Ich las es in einem Buch von zwei Autoren, die keine Christen sind, sich sogar Agnostiker nennen (d.h. also: sie sagen, dass man überhaupt nicht wissen kann, ob es Gott gibt). Und da schreiben sie: „Ohne das Christentum hätte es die Blüte der europäischen Kultur des Mittelalters und der Neuzeit nicht gegeben... Zu einer Zeit, in der Bildungssysteme außerhalb der Kirche kaum existierten, hätte es ohne die Klöster, die Dom- und Ordensschulen, die Spitäler und später dann die Universitäten nie gegeben...(Es wäre) nie zum Aufschwung der Literatur, der Philosophie oder der Künste gekommen - und schon gar nicht der Wissenschaften.“ All dies ist in Europa durch Christen ins Leben gerufen, weil sie sich - durch ihren Glauben an Jesus und an Gott - dazu gedrängt fühlten. Unsere moderne Gesellschaft verdrängt das gerne, hat sich von seinen christlichen Wurzeln abgeschnitten. Gott hat aber gewirkt. Und er tut es weiterhin in unserer kleinen, privaten Welt, wo wir uns von ihm ansprechen lassen und in seinem Sinne miteinander leben. Dort wirkt Gott, durch uns - nicht mit überwältigender Gewalt, aber in Stille, wie beim Weizen- und beim Senfkorn.

Jesus fordert uns also auf, Vertrauen und Geduld zu haben, an Gottes Wirken zu glauben und das zu tun, was wir selbst können, in unserer eigenen Umgebung, wie wenig das auch zu sein scheint. Trotzdem wird da etwas wachsen, weil Gott in und mit uns wirkt. Das ist das Evangelium, die frohe und hoffnungsvolle Botschaft, von Jesus. Es ist sein Aufruf gegen alle Resignation und Hoffnungslosigkeit. Gott wirkt in unserer Welt und in unserem persönlichen Leben, oft unscheinbar und trotzdem unaufhaltsam.

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